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Monoski & mehr: Eine Karriere mit adaptiertem Sport

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Der alte chinesische Weise Konfuzius soll einmal gesagt haben: „Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten.“ Zu einem gewissen Grad mag dies stimmen, doch es ist oft schwer im Vorfeld zu erfahren, ob die von dir ausgewählte Karrierelaufbahn tatsächlich gefallen wird.

Bereits als Kind Sport geliebt

Ich habe bereits von Kindesbeinen an Sport gespielt. Und zwar alles Mögliche. Damals dachte ich, ich könnte als Erwachsener einfach Profi-Sportler werden und damit Geld verdienen. Ich habe sogar als 10-Jähriger mit meiner Schwester eine Wette abgeschlossen, dass ich eines Tages in der NFL (National Football League) spielen werde. Tja, das ist das Schöne am jung sein. Du kannst davon träumen, jeden Beruf zu ergreifen: Arzt, Anwalt oder Profi-Sportler.

Ich habe das College nachher aufgrund eines Sportstipendiums besuchen können. In dieser Zeit wurde mir klar, dass Sport zwar meine Leidenschaft ist, doch ich musste mich letzten Endes für ein Studium entscheiden, das für meine Karriere nützlich sein würde. Zumindest war das mein Plan.

Gut beschäftigt im College

Ich wählte also ein College nicht aufgrund meiner akademischen Interessen, sondern aufgrund meines Lebensstils. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich studieren sollte, noch weniger wie ich Geld verdienen wollte. Ich schrieb mich ein an dem Fort Lewis College, einer kleine Universität in Durango, Colorado, mit geisteswissenschaftlichem Schwerpunkt. Das Purgartory-Skigebiet war etwa 40 km von dort entfernt und auf dem Campus existierte ein Golfkurs. Als ich den Campus zum ersten Mal besuchte, überhörte ich einen Studenten, der damals sagte: „Hier kannst du Skifahren und in deiner Freizeit einen Abschluss machen“. Das klang wie Musik in meinen Ohren.

Ich liebte meinen College-Aufenthalt. Ich gestaltete meinen Stundenplan so, dass ich an vier Tagen in der Woche Skifahren konnte und nahm auch an Sommerkursen teil, spielte Golf, lernte das Fahren mit dem Mountainbike. Sport nahm weiterhin eine wichtige Rolle in meinem Leben ein. Aber alle guten Dinge im Leben nehmen irgendwann einmal ein Ende. Nachdem ich meinen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre in der Tasche hatte, kehrte ich nach Denver zurück und suchte nach einem Job.

Im Laufe der nächsten Jahre habe ich unterschiedliche Jobs angenommen, unter anderem auch als Versicherungsmakler für eine große Firma. Ich verstand immer mehr, was ich beruflich nicht wollte. Aber ich kämpfte mich durch. Im Sommer von 1988 entschloss ich mich, gemeinsam mit einigen Freunden Urlaub zu machen. Damals war mir nicht bewusst, welche drastische Veränderungen dieser kleine Trip haben würde - sowohl für meine Karriere als auch für mein Leben.

Matt Freney - Downhill

Mit 25 Jahren im Rollstuhl

Wir machten Urlaub am See Powell in Utah. Dort sprang ich von einer Klippe ins Wasser und brach mir dabei den 9. Brustwirbel im Rücken. Ich war von der Taille runter sofort gelähmt. Mit 25 Jahren sagte man mir, dass ich nie wieder laufen könnte. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war nicht, wie mein Beruf oder meine Familie in Zukunft aussehen könnte. Nein, ich dachte über Sport nach, und ob ich ihn überhaupt noch spielen könnte. Schließlich braucht man dafür eine gewisse Körperlichkeit und ich hatte ziemlich viel davon verloren.

Während meiner Rehabilitation versuchte ich zu verstehen, was mit mir passiert war und wie mein Leben zukünftig aussehen wird. Ich begann Bücher und Artikel über das Leben mit Querschnittslähmung zu verschlingen. Zu dieser Zeit waren adaptierte Sportarten noch in den Kinderschuhen. Zwar gab es die Möglichkeit, verschiedene Sportarten auszuprobieren, doch sie sprachen mich nicht an. Also konzentrierte ich mich darauf, einen Job zu bekommen und mein Leben weiterzuleben.

Nach zahllosen Interviews fand ich Arbeit bei einer Treuhandgesellschaft in der Stadtmitte von Denver. Ich mochte zwar das Beurteilen von Sicherheiten und die Menschen mit denen ich arbeitete, doch mir fehlte etwas. Eines Tages erhielt ich einen Anruf von einem Freund eines Freundes, der am NSCD in Winter Park (National Sports Center for the Disabled) Freiwilligenarbeit leistete. Er wusste, dass ich Skifahrer gewesen bin und fragte mich, ob ich wieder Ski fahren lernen wollte.

Es waren erst acht Monate her seit meinem Unfall und ich hatte Metallstangen in meinem Rücken. Mir hatte man empfohlen, keinen Aktivitäten nachzugehen, die die Stabilität meines Rückens aufs Spiel setzten. Daher vereinbarte ich mit ihm, dass ich erst nächste Saison mitfahre. Ich erinnere mich daran, dass ich in der Nacht vor Vorfreude nicht schlafen konnte, weil ich ständig an die Möglichkeit dachte, endlich wieder Skifahren zu können. Ich rief ihn am nächsten Tag wieder an und blies alle Warnungen in den Wind. Ich wollte jetzt Skifahren und daher vereinbarten wir, uns in der darauffolgenden Woche zu treffen.

Wieder auf die Piste gehen

Mit dem Monoski Skifahren lernen kann eine wahre Herausforderung sein, wenn deine Rumpfmuskulatur nicht stark ist. Ein Monoski ist quasi ein Sitz in einem Metallrahmen und Stoßdämpfer, dass auf einem einzelnen Ski montiert ist. Die Unterarmstützen sind eine Kombination aus Skistöcken mit Skispitzen. Sie halten Kontakt zum Schnee und helfen beim Drehen oder Anschieben auf flachen Ebenen oder dem Aufsitzen im Skilift.

Matt Freney auf Monoski

Man benötigt ganz schön viel Kraft und Gleichgewicht um Monoski zu fahren, und zu diesem Zeitpunkt schien ich weder noch zu besitzen. Es gab Zeiten, da wollte ich aufgeben, doch die Aussicht darauf, endlich wieder unabhängiger Skifahrer zu sein, spornte mich an. Darüber hinaus, wenn ich jetzt aufgeben würde, was würde das über mich sagen? Könnte ich mich überhaupt einer Herausforderung stellen? Ich hielt durch und Stück für Stück wurde ich wieder Skifahrer.

In der nächsten Skisaison fuhr ich an jedem Wochenende Ski. Doch irgendwann war auch das mir nicht genug. Eines Herbsttages, als ich im Büro saß, schaute ich mich um und fragte mich: „Ist das alles? Werde ich das hier für den Rest meines Lebens tun?“ Genau in diesem Moment wusste ich, dass ich woanders sein musste. Weg von den vier Wänden, einem Computer und einem Schreibtisch. Am nächsten Tag sprach ich mit meinem Chef und reichte ihm mit zwei Wochen Frist meine Kündigung ein, damit ich gen Berge ziehen konnte.

Ursprünglich wollte ich Wettkampf-Skifahren ausprobieren und der Winterpark besaß ein spezielles Programm, wo du fünf Tage die Woche trainieren konntest. Ich hatte etwas Geld angespart und mein erster Sponsor war zu meiner Überraschung meine alte Firma, die ich gerade verlassen hatte. Sie haben mich sehr unterstützt. Ich hatte für einige Jahre etwas Erfolg, doch irgendwie gefiel mir der Wettkampf-Skisport nicht so sehr wie Freizeit-Skifahren. Aus meiner Sicht gab es zu viele Regeln und ich fuhr Ski sehr oft auf Pulverschnee oder in den Bäumen statt auf Rennstrecken zu trainieren. Bald lernte ich Skibuckel zu fahren und verliebte mich wieder ins Skifahren.

Eine neue Berufung als Skilehrer

Es gab Zeiten, da fuhr ich mit meinen körperlich gesunden Freunden Ski und sie brachten mich in Regionen, wo ich nicht Ski fahren konnte. Während ich mich die Piste herunter kämpfte, warteten sie unten auf mich. Irgendwann, auf der gleichen Piste, machte etwas Klick in mir. Ich schaffte es alleine runter und drehte mich um. Ich war alleine. Ich schaute hoch und sah, dass meine Freunde nur die Hälfte bisher geschafft hatten. Das war ein unglaublich besonderer Moment für mich. Als ich Skifahren neu lernte, war ich mir nicht sicher, ob ich je wieder so skifahren konnte wie früher. Doch es passierte. Und ich wollte dieses Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit mit anderen teilen.

Matt Freney als Skilehrer

In der nächsten Saison war eine Stelle als Skilehrer/-koordinator beim NSCD frei. Ich bewarb mich, wurde interviewt und bekam den Job. Meine Arbeit bestand eigentlich darin, das „Monoskibob“-Programm zu leiten und die 300 freiwillig tätigen Lehrer zu koordinieren. Ich liebte diese neue Richtung in meinem Leben. Ich wurde zwar nicht gut bezahlt, doch die Arbeit belohnte mich mit anderen Dingen. Da es ein saisonaler Job war, konnte ich andere Dinge außerhalb der Saison lernen. Ich fing an, Offroad-Rollstuhlrennen zu fahren (in etwa wie ein Mountainbike auf vier Rädern), Wasserski, Tauchen und Handbikes. Da wurde mir klar, dass je aktiver ich war, desto gesünder und glücklicher wurde ich auch.

Es war eine glückliche Zeit, doch ich hatte nach wie vor ein Problem. Ich war als Skilehrer weiterhin ein Arbeitnehmer, der von der Jahreszeit abhängig beschäftigt wurde. Es gab wirklich keine Chance, das ganze Jahr über bei dieser Organisation zu arbeiten. Ich musste also überlegen, wie ich andere Menschen dazu bringe, das ganze Jahr über im Freien Sport zu machen, damit auch sie die Vorteile eines gesunden Lebensstils erkennen, der mir dabei half, wieder ganz zu fühlen. Diese Situation, sowie die ständige Zunahme an Anfragen bezüglich adaptierter Sportarten für Menschen mit Behinderungen überall auf der Welt, brachte mich dazu, dass ich eine neue progressiove Sportorganisation in der Gemeinde etablieren sollte.

Chancen ergreifen

Ich fragte mich: Statt nach einem Job zu suchen, warum nicht selbst einen schaffen? Ich schloss mich mit einem Freund zusammen und gemeinsam etablierten wir Adaptive Adventures, eine gemeinnützige Organisation, die sich mit Behindertensport auseinandersetzt.

Die initiale Philosophie bestand darin, nicht nur Informationen über unterschiedliche adatierte Sportarten zu bieten, sondern auch Menschen aus dem ganzen Land zusammenzuführen, um verschiedene Bergorte zu besuchen und eine Umgebung für das Lernen, Teilen und Gemeinsamsein zu schaffen. Wir haben auch andere Events im Sommer durchgeführt, wie Wasserski-Camps, Hausboot-Trips auf dem Powell-See sowie mehrtägige Fahrraddtouren. Wir haben sogar ein Jugendprogramm ins Leben gerufen sowie ein Programm für ehemalige Soldaten, die erst vor kurzem Kriegsverletzungen erlitten haben.

Matt Freney auf Wasserski

Es sind bereits 18 Jahre seitdem vergangen und Adaptive Adventures hilft tausenden von Menschen mit körperlichen Behinderungen jedes Jahr in mehr als 30 Staaten mit Programmen wie Kayak, Fahrradfahren, Segeln, Tauchen, Klettern, Wasserski und natürlich Schneeski.

Durch Adaptive Adventures habe ich gesehen, wie sehr Outdoor-Sport das Leben von Menschen verändern kann, die vorher dachten, Sport sei aufgrund ihrer Behinderung nicht möglich oder käme gar nicht in Frage.

Auch wenn es eine lange Zeit brauchte, bis ich meine Leidenschaft für Sport in eine Karriere umwandeln konnte, ist es eine unglaublich schöne Belohnung. Ich würde nichts an dem Weg dahin ändern wollen. Ich habe tolle Erfahrungen gemacht und sehr inspirierende Menschen kennengelernt. Ich konnte auch viele Menschen zum Lächeln bewegen, als sie zum ersten Mal eine Herausforderung überwanden. Natürlich kann es sein, dass ich eines Tages ein neues Kapitel in meiner Karriere aufschlagen werde und einen ganz anderen Weg einschalge. Doch jetzt kann ich mir nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Ich habe nicht einfach eine Karreire gefunden, die ich liebe, ich habe eine erschaffen. Und was gibt es schöneres als das?

Ich denke, es wird langsam Zeit, die Wette mit meiner Schwester aufzulösen und ihr einen Scheck zu schicken.

Über den Autor

Matt Freeney ist in Colorado geboren und war von Anfang an ein Sportler. Zu High-School-Zeiten war er ein All-american. Im Jahr 1988 erlitt er aufgrund eines Unfalls eine Verletzung des Rückenmarks und wurde querschnittsgelähmt. Er ist mittlerweile ein PSIA-zeritifzierte Skilehrer, ein USA-zeritifzierter Wasserskilehrer und ein zweimaliger Offroad Downhill-Sieger und ein versierter Handbike-Fahrer. 2005 wurde Matt als Colorado Adaptive Athlete of the Year ausgezeichnet. Im Jahr 1999 war Matt Mitbegründer von Adaptive Adventures. Und davon abgesehen ist Matt ein Kämpfer.