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Wer im Rollstuhl sitzt, leistet weniger, ist häufiger krank und somit unzuverlässiger. In vielen Arbeitgeberköpfen hält sich dieser Gedanke nach wie vor hartnäckig. Zudem benötigen Menschen mit schweren Behinderungen speziell eingerichtete Arbeitsplätze. Lohnt sich eine Investition überhaupt? Dann lieber gleich absagen! Und schon flattert eine höfliche, aber generische Absage in das elektronische Postfach, obwohl Erfahrung und Kenntnisse für ein Bewerbungsgespräch ausgereicht hätten.
Als Mensch mit Behinderung kann sich die Suche nach dem perfekten Job sprichwörtlich als Nadel im Heuhaufen entpuppen. Bekannte Portale wie Stepstone oder Monster besitzen keine speziellen Optionen, um entsprechende Jobs herauszufiltern. Nur über eine umständliche Wortsuche können zumindest manche interessanten Stellenanzeigen gefunden werden.
Besser macht es hier die Jobbörse der Agentur für Arbeit. Sie bietet bei der erweiterten Suche die Möglichkeit, potenzielle Arbeitgeber herauszufiltern, die "ausschließlich für schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Menschen" Stellenangebote aufgegeben haben. Setzt man dieses Häkchen, werden also lediglich jene offenen Stellen angezeigt, bei denen Bewerbungen von Menschen mit schweren Behinderungen sogar eindeutig erwünscht sind bzw Schwerbehinderte bevorzugt werden.
Von groß bis klein: Integrationsfirmen
Viele große Unternehmen wie ThyssenKrupp haben bereits Strukturen und Abläufe geschaffen, die eine inklusive Atmosphäre schaffen. Aber auch kleinere Betriebe können Menschen mit Behinderungen beschäftigen, denn es gibt eine Besonderheit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt: das Integrationsunternehmen. Dieses verpflichtet sich nach dem 9. Sozialgesetzbuch §132 dazu, dass bei mindestens einem Viertel ihrer beschäftigten Mitarbeiter eine Schwerbehinderung vorliegt. Der Anteil darf allerdings nicht die Hälfte überschreiten. Diese häufig kleineren Firmen haben ebenfalls Strukturen und Prozesse geschaffen, um zum Beispiel Menschen in Rollstühlen im Alltagsbetrieb einzubinden. Eine Investition ist oftmals daher nicht mehr nötig und bei der Bewerbung können Sie sich darauf verlassen, dass Ihre Erfahrung und Kenntnisse tatsächlich im Vordergrund stehen.
Viele Integrationsunternehmen haben sich zu einem Netzwerk geschlossen, um sich gegenseitig zu unterstützen und auf sich aufmerksam zu machen. Ein Beispiel ist der Verein Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen e.V.. Neben jeder Menge Informationen zum Verein und Aufgaben eines Integrationsunternehmens bietet er auch eine interaktive Deutschlandkarte an, auf der sämtliche Mitglieder verzeichnet sind.
Oftmals haben diese Unternehmen einen eigenen Job-Bereich, in dem offene Stellen gelistet sind. Auch das Angebot der Berufsförderungswerke ist nicht zu vernachlässigen. Die Webseite zielt zwar vornehmlich auf Reha-Patienten ab, aber in der Jobbörse gibt es neben deutschen Angeboten Stellenanzeigen aus aller Welt. Somit ist sie auch für Auswanderer und solche, die es werden wollen, eine interessante Alternative.
Bei Fragen: an das Integrationsamt wenden
Die Aufgabe des Integrationsamtes ist es, Arbeitnehmer mit schweren Behinderungen im Berufsleben zu unterstützen. Dies geschieht durch diverse Fördermaßnahmen, Beratungsangebote und auch die Zusammenarbeit mit Arbeitgebern. Sie helfen auch, wenn die Ausbildung oder das Studium frisch beendet wurde und der Bewerber das erste Mal in die Arbeitswelt tritt. Wenn also die Jobsuche über das Internet sich als besonders schwierig erweist, ist die Kontaktaufnahme ein guter Weg, über die Möglichkeiten und Grenzen in Bezug auf Karriereziele zu sprechen.
Leider gibt es nicht das eine Integrationsamt. Jedes Bundesland hat seine speziellen Einrichtungen. So sitzt das Integrationsamt im Rheinland beim Landschaftsverband Rheinland (LVR). In Berlin ist das Amt im Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) zu finden. Auf der REHADAT-Website findet man eine Übersicht zuständiger Integrationsämter. Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Portal ist eigentlich eine Anlaufstelle für Menschen, die aus der Rehabilitation kommen. Doch das Angebot ist so vielseitig, dass auch Menschen mit schweren Behinderungen davon profitieren können.
Förderungschancen für Arbeitgeber
Letztendlich bleibt immer noch die Möglichkeit, Unternehmen, die in ihren Anzeigen keine expliziten Angaben zu inklusiven Arbeitsplätzen gemacht haben, vorab zu kontaktieren. Denn durch den wachsenden Fachkräftemangel versuchen viele Betriebe auf kreative Art und Weise neue Angestellte zu finden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Firma auf Förderungen hoffen, wenn sie jemand mit Behinderungen einstellt - es hat also auch Vorteile für den Arbeitgeber, Schwerbehinderte einzustellen. Mehr Auskunft gibt dabei das zuständige Integrationsamt. Wenn also die Chemie zwischen Ihnen und Ihrem neuen Chef stimmt, sollten Sie sich daher nicht davor scheuen, ihn oder sie auf die Möglichkeiten hinzuweisen. Auf der ebenfalls von REHADAT betriebenen talentplus-Website gibt es zahlreiche Informationen zur Beschäftigung von Menschen mit schweren Behinderungen.
Die Kür: Selbst gründen
Nicht nur als Arbeitnehmer können Sie an der Arbeitswelt teilhaben. Wer besonders mutig ist, wagt den Schritt in die Selbstständigkeit. Hier empfiehlt es sich, lange im Voraus mit dem zuständigen Integrationsamt zu sprechen und abzuklären, ob man die nötigen Voraussetzungen hat. Neben einem möglichen Anspruch auf den Gründungszuschuss gibt es nämlich weitere Förderungsmaßnahmen für Selbstständige mit Behinderungen. Dies kann zum Beispiel finanzielle Zuschüsse oder günstige Darlehen beinhalten, aber auch die Bereitstellung technischer Hilfen oder einer Arbeitsassistenz.
Auf einer Informationsseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, einfach teilhaben, gibt es hierzu einige interessante Informationen. Natürlich wird man gerade in dieser Disziplin auf viele verschlossene Türen treffen. Damit der Traum nicht ein Traum bleibt, bietet beispielsweise das Modellprojekt „enterability“ viele kostenlose Seminare und Beratungsangebote für den Berliner Raum. Hier lohnt es sich also, lokale Vereine und Organisationen ausfindig zu machen, die bei Ihrem Vorhaben Rückendeckung leisten.
Dank des Internets gibt es zahlreiche Möglichkeiten, interessante Jobs zu finden und auch trotz schwerer Behinderung Karriere zu machen. Das Integrationsamt sowie die Agentur für Arbeit sind dabei exzellente erste Anlaufstellen. Mit unseren Tipps und nicht zuletzt einer positiven Einstellung findest du garantiert deinen Weg!