Blog > Dezember 2017 > Inklusion in Deutschland: Wie die gesamte Gesellschaft profitiert

Inklusion in Deutschland: Wie die gesamte Gesellschaft profitiert

Veröffentlicht:

Teilen:

Take it offline!

This Education in Motion resource is also available as a printable PDF.

Download PDF

Deutschland ist ein fortschrittliches Land. Doch wie jedes Land hat es seine Baustellen. Zum Beispiel den Ausbau einer flächendeckenden Netzwerkinfrastruktur. Auch in Sachen Inklusion muss noch viel getan werden. Die Vereinten Nationen haben seit 2008 eine Behindertenrechtskonvention, die 2009 in Deutschland ratifiziert wurde. Darin wird festgehalten, dass Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Teilhabe am Leben haben. Wichtige Punkte sind zum Beispiel die Förderung von Barrierefreiheit im Verkehr und in der Kommunikation und auch Inklusion an Schulen.

Das Vorbild in Sachen Inklusion: Schweden

Viele Länder, unter anderem Skandinavien, zeigen wie Inklusion und Barrierefreiheit aussehen kann. In Schweden unterrichten Lehrer beispielsweise nicht alleine. Sie werden von Assistenten unterstützt, die den Kindern bei Gruppenarbeiten oder Aufgaben unterstützen. In Kanada gibt es im Staat New Brunswick zusätzlich spezialisierte Pädagogen, die gemeinsam mit dem Lehrer individuelle Lernziele für die Klasse etablieren und in schwierigen Situationen – beispielsweise mit autistischen Kindern – notfalls eingreifen können.

Schweden ist nicht nur mit inklusivem Schulunterricht Vorreiter. Viele Orte sind barrierefrei gestaltet. Die schwedische Tourismusseite Visit Sweden besitzt umfassende Informationen zu wo barrierefreies Reisen möglich ist. Darüber hinaus ist bei Neubauten unter anderem gesetzlich vorgeschrieben, nicht nur Räume, sondern auch den Zugang zum Gebäude barrierefrei zu gestalten.

Inklusion steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen

Da in vielen Angelegenheiten nicht der Staat sondern das Land das Sagen hat, existieren in Deutschland viele unterschiedliche Gesetze, die einmal mehr, einmal weniger Inklusion fördern. Das Dach bildet aber das sogenannte Behindertengleichstellungsgesetz (pdf-Link). Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderungen im Alltag keine Nachteile erleiden. So ist unter anderem darin festgehalten, dass Gebäude und Verkehrsmittel barrierefrei sein sollten oder dass Menschen ein Recht auf Information in leichter Sprache haben dürfen. Das Gesetz wurde 2002 erlassen und wird seitdem kontinuierlich weiter entwickelt. So gab es im Sommer 2016 eine Novelle: Hier wurden nach den Vorgaben der Vereinten Nationen Verbesserungen hinsichtlich Barrierefreiheiten versprochen. Auch sollten vermehrt Bescheide und wichtige Informationen in leichter Sprache umgesetzt werden.

Bundesfachstelle Barrierefreiheit will Brücken bauen

Zudem wurde die Bundesfachstelle Barrierefreiheit eingerichtet. Sie soll Behörden dabei unterstützen, barrierefreie in ihren Räumen zu schaffen. Auch Wirtschaftsunternehmen können sich beraten lassen. Damit soll das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Behinderungen geschärft werden. Gleichzeitig sollen für Betriebe erste Hemmschwellen abgebaut werden. Denn noch immer scheuen sich viele davor, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Sie befürchten erhöhten Papieraufwand und dass der neue Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin häufiger ausfällt.

In einem Interview mit der Zeit verwies Inklusionsaktivist Raul Krauthausen auf unsere Nachbarländer, die hier eindeutig bessere Lösungen umsetzen. So stellt er beispielsweise infrage, ob ein Mensch produktiv arbeiten muss, um als vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Durch die Schaffung von Nischenjobs könnten Menschen mit Behinderungen Seite an Seite mit Menschen ohne Behinderungen arbeiten. Der Leistungsgedanke dürfe nicht im Vordergrund stehen.

Inklusion in der Schule

Leistungsgedanke fängt bereits in den Schulen an

Kinder ohne Behinderungen müssen sich bereits im frühen Alter einem starken Leistungsdruck stellen. Viele Eltern betrachten daher die Inklusion von Kindern mit Behinderungen als Bremse, da Lehrer sich möglicherweise auf ein langsameres Lerntempo einstellen müssen. Da Bildung darüber hinaus Ländersache ist, sind die Inklusionsmodelle an Schulen vielfältig. Während in Bremen und Schleswig-Holstein viele Kinder mit Behinderungen eine Regelschule besuchen können, werden Kinder mit Behinderungen in Brandenburg oder Bayern in Förderschulen regelrecht abgehängt.

Dabei zeigt eine Bertelsmann-Studie (pdf-Link) aus dem Jahr 2015, dass nicht nur Kinder mit Behinderungen von einem inklusiven Besuch einer Regelschule profitieren – alle Kinder profitieren. In inklusiven Schulen zeigen Schüler einen besseren sozialen Zusammenhalt. Auch das Lerntempo sei individueller als an nicht inklusiven Regelschulen, gaben Eltern bei der Befragung an. Zusätzlich seien die Klassengröße vorteilhafter und Unterrichtsausfälle seltener gewesen.

Inklusion bedeutet Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt

Für die Zukunft von Kindern mit Behinderungen ist dies eine wertvolle Erkenntnis. Denn es zeigt, dass sie in der richtigen Umgebung wachsen und gedeihen können. Nur so haben sie wenigstens eine Chance, ihre Berufswünsche auf dem ersten Arbeitsmarkt zu realisieren. Denn mit zunehmenden Fachkräftemangel öffnen auch Wirtschaftsbetriebe ihre Pforten für Menschen mit Behinderungen.

Der Inklusionspreis, der unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist, zeigt, wie die Praxis aussehen kann. Hier wird deutlich: Durch die Vielfalt ihrer Beschäftigten können Unternehmen wirtschaftlich profitieren. Dabei muss es kein Großkonzern wie Audi sein, wie vergangene Preisträger beweisen. Auch kleine Betriebe wie die Tischlerei stilfabrik* GmbH oder der Gasthof Freiämter Hof sind in der Lage, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Sie können bei Bedarf finanzielle Unterstützung von der Agentur für Arbeit erhalten.

Inklusion - Arbeit im Büro

Während bei manchen Kindern der Besuch einer Förderschule nicht ausbleibt, ist der Zukunftsausblick hier dagegen ernüchternd. Fast drei Viertel der Förderschüler erreichen nicht einmal einen Hauptschulabschluss, so das Ergebnis der Bertelsmann-Studie. Die Karriere dieser Kinder beschränkt sich dann auf eine häufig monotone Arbeit in speziellen Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), die zudem schlecht entlohnt wird. Hier gibt es viel Kritik, da Menschen mit Behinderungen oftmals nicht die gleichen Arbeitsrechte wie Menschen ohne Behinderungen besitzen. Ein Aufstieg in den ersten Arbeitsmarkt und die Möglichkeit auf Karriere gelingt nur in verhältnismäßig wenigen Fällen.

Aus Sicht der Bundesfachstelle Barrierefreiheit gebe es zwar viele Förderinstrumente, zum Beispiel beim Thema barrierefreies Wohnen, doch es müsse noch viel mehr getan werden. Hier müsse die Bevölkerung stärker für das Thema sensibilisiert werden. Einen guten Anfang machen beispielsweise die Webportale einfach teilhaben und Weg mit den Barrieren. Diese klären Menschen mit Behinderungen sowie ihre Angehörigen und Interessierte über die Möglichkeiten auf und machen sich für ein barrierefreies Deutschland stark.

Weitere Quellen: